Gedenkfeier zu Ehren der Opfer des KZ-Vaihingen und des Nationalsozialismus

Bei strahlendem Sonnenschein und frühsommerlichen Temperaturen fanden sich am Sonntag, den 08. April rund 60 interessierte Bürgerinnen und Bürger ein, um – wie jedes Jahr rund um den Jahrestag der Befreiung des KZ-Vaihingen durch französische Truppen am 07. April 1945 – den Opfern des Lagers und des Naziregimes zu gedenken. Unter den Anwesenden waren auch insgesamt 8 polnische Nachfahren zweier ehemaliger Häftlinge – Pavel Strumnik und Stanislaw Piatkowski -, die beide in Vaihingen gestorben sind.

Vorstandssprecher Bernd Freckmann begrüßt die Anwesenden
Nachfahren von Stanislaw Piatkowski mit Dr. Scheck (ganz rechts)

Das Vorbereitungsteam unter der Leitung von Albrecht Wittmann und Felix Köhler stellte das Schicksal der Überlebenden in den Mittelpunkt des thematischen Teils. In ausgewählten Lebensberichten von Überlebenden wurden die völlig unterschiedlichen Wege und Schicksale, die die Überlebenden nach der Befreiung hatten, aufgezeigt. Von verschiedenen Sprechern – darunter mit Noah Müller und Micha Schäfer zwei Schüler, die zur Zeit ihr Sozialpraktikum an der Gedenkstätte ableisten, – wurden die Texte vorgetrag.

Ein Gebinde zur Erinnerung an Pavel Strumnik
Der blumengeschmückte Gedenkstein auf dem Ehrenfriedhof

So wurden die noch gehfähigen Gefangenen Anfang April 1945 in zwei Transporten nach Dachau in Marsch gesetzt. Im dortigen KZ angekommen, mussten viele von ihnen den Todesmarsch Richtung „Alpenfestung“ mitmachen, bevor sie befreit wurden. Danach – am 5. April – wurden 16 norwegische Häftlinge mit Bussen des Schwedischen Roten Kreuzes aus dem KZ-Vaihingen abgeholt. Unter ihnen der spätere norwegische Ministerpräsident Trygve Bratteli.

Ein Teil der bei der Befreiung am 7. April 1945 rund 650 vorgefundenen Überlebenden wurden im Krankenhaus Vaihingen untergebracht und gepflegt. 92 von ihnen starben aber noch im Krankenhaus und sind heute größtenteils auf dem Vaihinger Stadtfriedhof bestattet. Nach seiner Zeit im Krankenhaus machte sich der niederländische Überlebende Jules Schelvis auf, um –  ausgestattet mit einem Passagierschein und einer Bestätigung der französischen Armee, dass er aus dem KZ-Vaihingen/Enz befreit worden war, – zu Fuß in seine Heimatstadt Amsterdam zurückzukehren. Dort kam er zwei Monate später an und stellte mit Schrecken fest, dass er von den 3000 holländischen Juden, die 1943 ins KZ-Sobibor deportiert worden waren, der einzige Überlebende war.

Bei der Kranzniederlegung

Viele der Überlebenden wie z.B. Jerzy Wojciewski aus Polen wurden nach Neuenbürg, einem kleinen dafür evakuierten Ort bei Bruchsal, gebracht, wo sie sich erholen konnten und dann heimkehrten. Allerdings starben auch dort noch mindestens 31 frühere Häftlinge.

Im von der amerikanischen Armee besetzten Nordwürttemberg wurde – wie im gesamten Gebiet der drei westlichen Besatzungszonen – unter großem Aufwand versucht, alle früheren KZ-Häftlinge, die sich fern ihrer Heimat hier aufhielten und Hilfe benötigten, zu erfassen. Die Zahl dieser so genannten „Displaced Persons“ war in den drei westlichen Besatzungszonen mit 6,5 bis 7 Millionen sehr hoch.

Um eine einigermaßen menschenwürdige Unterbringung zu gewährleisten, wurden trotz enormer Wohnraumnot auch in süddeutschen Städten Wohnhäuser beschlagnahmt. Im Lager für ehemalige jüdische Häftlinge in der oberen Reinsburgstraße in Stuttgart lebten dann zum Teil jahrelang auch frühere Häftlinge des KZ-Vaihingen. Unter ihnen waren z.B. Izhak Akermann, der heute in Haifa lebt, und Manny Steinberg, der von dort in die USA emigrieren konnte.

Nicht alle Überlebenden erging es so vergleichsweise gut. Zum Beispiel wurden alle früheren russischen KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter zwangsrepatriiert. Die UdSSR unter Stalin sah alle, die gegen ihren Willen und mit Gewalt nach Deutschland verschleppt worden waren, wegen ihrer angeblichen Unterstützung der Deutschen als Kollaborateure an. Sie wurden wieder in Lager – oft in Sibirien – gesteckt. Über das Schicksal der russischen Häftlinge des KZ-Vaihingen ist nichts bekannt.

Schon diese kleine Zusammenstellung zeigt, wie unterschiedlich die weiteren Wege der ehemaligen Häftlinge verlaufen sind.

Jörg Becker beim Schlusswort
Der Überlebende Paul Rosenkranz (sitzend) und seine Tochter auf dem KZ-Ehrenfriedhof

In seinem Schlusswort verwies der 2. Vorsitzende Jörg Becker darauf, dass es für den Fortbestand der Gedenkstätte zunehmend wichtig sei, Jugendliche an dieses schwere Kapitel deutscher Geschichte heranzuführen und sie zur Mitarbeit zu motivieren. Er stellte deshalb nochmals das Engagement der beiden Schüler Noah Müller und Micha Schäfer heraus.

Völlig überraschend erschien der letzte in der Nähe lebende Überlebende Paul Rosenkranz mit seiner Tochter zum Ende der Feier. Die anwesenden Mitglieder der Gedenkstätte tauschten sich rege mit beiden aus.

In gewohnter Weise umrahmte auch in diesem Jahr der Bläserkreis Vaihingen die Feier musikalisch. Ihm und allen bei der Vorbereitung Engagierten sei an dieser Stelle herzlich gedankt!